Es ist Ende 2022. Die Zeit, zu der man gerne einen Rückblick auf das Jahr macht und sich Vorsätze für das nächste Jahr nimmt. Einer meiner Vorsätze: ich schaue mir Alternativen zu WordPress an.
WordPress ist eigentlich gut…
Seit unzähligen Jahren erstelle ich alle meine Webseiten und -portale mit WordPress. Warum?
Weil die Software kostenlos herunterzuladen und schnell installiert ist.
Weil WordPress – dank der vielen Plugins – schlichtweg alles kann.
Weil ich WordPress in- und auswendig kenne und somit schnell und routiniert zum Ziel komme.
Warum brauche ich also Alternativen? Ganz einfach deshalb, weil ich inzwischen rund ein Dutzend Plugins installieren muss, um (für mich) vernünftig in WordPress arbeiten zu können. Weil WordPress den Core zwar weiter entwickelt, aber die Schwerpunkte einfach nicht da liegen, wo ich sie gerne hätte. Vielmehr fliesst fast die ganze Energie in Gutenberg, den ich schlichtweg nie brauchen werde.
Aber der Reihe nach. Schauen wir mal die (für mich) grössten Baustellen an.
… aber
Medienverwaltung von anno domini
In WordPress kann man – wie in jedem vernünftigen CMS – Medien verwalten. So auch in WordPress. Die Mediathek besitzt grundlegende Funktionen, die wohl früher einmal ganz ok waren.
Wir haben aber das Jahr 2022/23 und bezüglich Medien ist die Welt komplexer geworden. Zunächst einmal braucht es immer mehr Medien. Die heutige Welt ist visueller und damit wächst die Mediathek täglich. Die Übersicht geht dabei verloren, weil WordPress nicht mal ansatzweise eine Möglichkeit bietet, Medien in Ordner zu legen oder sie wenigstens mit Taxonomien zu filtern.
Medien sind heutzutage nicht mehr nur Bilder. Vielmehr sollte die Mediathek auch Dokumente, Videos, Audios, Animationen und mehr verwalten können. Kann sie ja auch, aber wirklich nur rudimentär. Hochladen, abspeichern, verknüpfen.
Was, wenn ich Bilder oder Medien austauschen muss? Im WordPress-Core nicht vorgesehen. Dabei geschieht es häufig, dass man ein Bild nochmals neu beschneiden oder aktualisieren muss.
Apropos beschneiden: Medien in verschiedenen Grössen und vor allem Proportionen verwalten? Kann WordPress nicht. Jede Variante eines Bildes muss einzeln hochgeladen werden, hat keinen Bezug zu der Masterversion und kann auch nicht in WordPress selbst erstellt werden.
Kurzum: die Mediathek ist so eigentlich nicht mehr brauchbar und man muss zu Plugins greifen, um die Schwächen auszumerzen.
OpenSource? Schon lange nicht mehr
WordPress ist kostenlos. Das ist ohne Zweifel toll und hochgeschätzt. Ich kann mich auch gut an die Anfangszeit erinnern, in der man tolle Plugins kostenlos oder für einen kleinen (einmaligen) Beitrag herunterladen konnte.
Das hat sich geändert. Aus den Plug-ins ist ein Geschäft geworden. Das Freemium-Modell hat sich durchgesetzt. Von fast allen Plug-ins gibt es eine kostenlose Basisvariante, die aber natürlich genau das nicht kann, was eigentlich wichtig wäre. Also greift man zum Geldbeutel und zahlt. Meist ein Jahresabo. Pro Domain. Das läppert sich zusammen. Kombiniert mit der Tatsache, dass sich für einen vernünftigen Betrieb immer mehr Plug-ins brauche, lässt mich nur folgern: WordPress ist inzwischen eine teure Angelegenheit und keineswegs billiger als die Konkurrenz – auch wenn der Core kostenlos bleibt.
Gutenberg ist einfach nicht gut
Kommen wir zu Gutenberg. Der Core-Editor von WordPress, der sich insgesamt in den letzten Jahren durchaus gemacht hat. Es ist ein Blockeditor, das ist schon mal gut.
Leider ist die UX nach wie vor unbrauchbar. Es gibt einfach viel zu viele Orte, wo man etwas klicken kann und muss. Zudem ist die Oberfläche sehr weiss und bietet keinerlei Hilfestellungen in der Unterscheidung der einzelnen Arbeitsbereiche, Toolbars und Navigationshilfen.
Grundlegende Funktionen werden stückweise nachgereicht. So wird der Editor zwar immer besser, aber eben nie so wirklich gut. Und dann sind da einfach ein paar sehr nervige Eigenschaften von Gutenberg, die meinen Puls höher treiben – zum Beispiel jeden Tag wieder eine Hinweisbox auf den Vollbildmodus, den ich nun mal nicht mag und darum nie verwenden werde.
Das Problem ist ja vielleicht gar nicht, dass Gutenberg schlecht ist. Es ist ein solider Editor, in dem man arbeiten kann. Dummerweise ist die Konkurrenz aber samt und sonders besser – insbesondere Elementor, wo man von Beginn weg eine intuitive Benutzeroberfläche vorfindet, die zwar Zillionen von Einstellungen bereithält, diese aber gut geordnet und wohldosiert auf den User loslässt.
Eben mal eine Webseite? Nimm lieber Squarespace, Wix und Co.
Ich habe letzthin einem Kunden eine Einführung in WordPress gegeben. Er hat es nicht verstanden und hat immer wieder vergessen, was wo ist. Tatsächlich musste ich ihm recht geben: wenn man kein Muscle Memory hat und manches nicht einfach seit Jahren selbstverständlich ist, dann ist WordPress ein Moloch. Wo definiert man schon wieder die Menüs? Was ist der Unterschied zwischen einer Seite und einem Beitrag? Was ist ein Werkzeug und was eine Einstellung?
Bis ich in WordPress herausgefunden habe, wie und wo ich Header und Footer gestalte, habe ich in Squarespace und Co. schon alles eingerichtet und dazu noch den Webshop und einen Newsletter hochgefahren.
There is a plugin for that
Ein Hoch den Plug-in-Autoren und Entwicklern, die all diese Ungereimtheiten und Versäumnisse des WordPress-Cores ausgleichen. Das ist nach wie vor das Tolle am WordPress-Ökosystem: es gibt für alles eine Lösung.
Bloss: Bei mir die Liste an immer wieder zu installierenden Plugins inzwischen so gross, dass ich mich frage, warum mir das der Core nicht bereits eine Lösung anbietet. Für all diese in meinen Augend grundlegenden Funktionen brauche ich ein zusätzliches Plugin:
- Sicherheit, Schutz vor Brute-Force-Logins
- Filtern von Spam
- DSGVO-Cookie-Verwaltung und Privacy-Informationen
- Besserer Editor (weil eben Gutenberg mich nicht befriedigt)
- Lösung für Backup, Staging, Restore
- Erstellen von Custom Post Types – nicht alles ist eine Page / ein Post
- SEO- und OpenGraph-Einstellungen
- Caching, Speed-Optimierung
- Verwaltung von Redirects, defekten Links
- Verbesserung des Backends, mehr Such- und Filtermöglichkeiten
- Webshop und Payment-Systeme
- Newsletter- und Marketing-Lösungen
- …
Klar, man kann sich bei jeder der einzelnen Funktionen streiten, ob das in den Core gehört oder nicht. Tatsache ist, dass andere Systeme und Webseitengeneratoren da schon Lösungen bieten und somit für einen Kunden sehr viel attraktiver sind. Ein Preis, ein System, eine konsistente Oberfläche.
Hat WordPress denn überhaupt noch Vorteile?
Ja, einige habe ich oben schon genannt.
Zudem ist WordPress schlichtweg ein Standard und wird somit von unzähligen anderen Systemen unterstützt. Ich kann über Zapier automatisieren, kann Marketing-Lösungen und Content-Planner einbinden und habe diverse Möglichkeiten, meine WordPress-Inhalte auch für Zweitnutzungen abzugreifen.
Auch wenn ich mir für jeden Kunden wieder alles neu zusammensuchen muss – die Modularität und das Plug-in-System hat auch grosse Vorteile: Ich kann genau jene Funktionen zusammenstellen, die ich für den Kunden brauche. Damit bekommt er meist genau die individuelle Lösung, die er sucht. Und trotzdem baut alles auf einem gemeinsamen, bekannten Ökosystem auf.
Wie denn nun weiter?
WordPress wird aus meinem Alltag noch lange nicht verschwinden.
Aber:
Ich bin inzwischen so weit, dass ich meinen Kunden auch andere Systeme zeige, die möglicherweise günstiger und besser geeignet sind. Habe ich lange über Wix, Squarespace und Co. gelächelt, sehe ich da inzwischen wirklich starke Tools, die auch im professionellen Umfeld absolute Berechtigung haben.
Zudem gibt es immer mehr Tools, die zwar gar nicht fürs Web-Publishing gedacht sind, die aber eine einfache Sharing-Funktion bieten. Ich denke da an Notion und Co., an Padlet, an Airtable oder aber auch an Canva, wo eine ganz neue, immer umfassendere Publishing-Plattform entsteht.
Wenn ich WordPress einsetze, dann verschwindet es zunehmend im Hintergrund. Es dient mir dann vor allem noch als Hub und Datenbank, die ich mittels Automatisierungen mit anderen Systemen verbinde. So wird WordPress immer mehr headless und dient nur noch zur Verwaltung von Content First-Daten. Daten werden über Schnittstellen verteilt, die Darstellung und Ausgabe erfolgt dann in anderen Systemen.
Vielleicht ist das ja auch die Zukunft, welche die Core-Entwickler von WordPress sehen. Ich werde da nicht ganz schlau. Manchmal habe ich aber den Eindruck, dass sich die Macher von WordPress zu sehr in ihrem Ökosystem ausruhen und zu wenig darüber nachdenken, welche Konkurrenz darum herum heranwächst.
Dieser Beitrag wurde zuerst am 2022-12-31T10:00:00 publiziert unter https://publishing.blog/wars-das-wordpress/.