Ein neues Denken für das Urheberrecht: Kleinere Einheiten, grössere Flexibilität

Ein block-basierter Ansatz würde das Urheberrecht näher an die heutige Nutzungsrealität bringen und gleichzeitig neue Geschäftsmodelle ermöglichen.

Das Urheberrecht steckt in einer Krise. Während sich unsere digitale Welt in rasantem Tempo weiterentwickelt, verharren viele rechtliche Strukturen in überholten Konzepten. Ein vielversprechender Ausweg könnte ein grundlegend neues Denken sein: Was wäre, wenn wir Content nicht mehr in grossen, monolithischen Werken, sondern in kleineren, modularen Einheiten betrachten würden?

Der Status quo: Das Problem der unteilbaren Werke

In der klassischen Urheberrechtslehre wird ein «Werk» oft als unteilbare Einheit betrachtet. Ein Buch ist ein Buch, ein Song ist ein Song, ein Film ist ein Film. Diese Denkweise stammt aus einer Zeit, in der physische Medien die Verbreitung von Inhalten bestimmten. Doch in der digitalen Welt funktioniert Content anders.

Heute konsumieren wir Kultur in Snippets, Ausschnitten und Samples. Wir teilen GIFs aus Filmen, zitieren Textpassagen in sozialen Medien und erstellen Remixe aus bestehenden Musikstücken. Die strikte Werkdefinition des Urheberrechts passt nicht mehr zu dieser fragmentierten Nutzungsrealität.

Der Block-Ansatz: Urheberrecht neu gedacht

Stellen wir uns vor, das Urheberrecht würde Content als Sammlung von Blöcken betrachten. Jeder Block – sei es ein Absatz, eine Melodie, eine Filmszene oder ein Bild – könnte seine eigenen Nutzungsbedingungen haben. Einige Szenarien, die dadurch möglich würden:

  • Autor*innen könnten einzelne Kapitel ihrer Bücher mit unterschiedlichen Lizenzen versehen
  • Musiker*innen könnten bestimmte Samples ihrer Songs für die kreative Weiterverwendung freigeben
  • Filmschaffende könnten ausgewählte Sequenzen zur Nutzung in Memes lizenzieren
  • Wissenschaftler*innen könnten Daten und Methodik frei teilen, während sie die Interpretation schützen

Ein solches System würde die Realität der digitalen Nutzung anerkennen, ohne die berechtigten Interessen der Urheber*innen zu ignorieren.

Technische Lösungsansätze

Die Technologien für ein block-basiertes Urheberrechtssystem existieren bereits.

Viele Content-Management-Systeme arbeiten mit Blöcken als Grundeinheit.

Strukturierte Datenformate wie Jason, XML oder bitmark können Inhalte blockweise speichern und beschreiben.

Die Blockchain-Technologie ermöglicht die sichere Dokumentation von Eigentumsrechten an digitalen Einheiten. Smart Contracts können automatisch Lizenzvereinbarungen für einzelne Content-Blöcke umsetzen.

Metadaten-Standards könnten entwickelt werden, um Urheberrechtsinformationen direkt an Content-Blöcke anzuhängen. Diese Informationen könnten maschinenlesbar sein, was automatisierte Lizenzprüfungen ermöglichen würde.

Herausforderungen und Grenzen

Natürlich bringt ein solcher Paradigmenwechsel auch Herausforderungen mit sich. Die Frage, wie klein ein urheberrechtlich schützbarer Block sein kann, ist nicht trivial. Auch müsste geklärt werden, wie mit der Kombination mehrerer Blöcke umzugehen ist – entsteht dadurch ein neues Werk mit eigenen Rechten?

Zudem stellt sich die Frage der internationalen Harmonisierung. Ein schweizer oder deutsches Vorgehen allein würde in der globalisierten digitalen Welt nicht ausreichen.

Fazit: Zeit für ein Update

Das Urheberrecht wurde für eine Welt geschaffen, in der Werke als Ganzes produziert, verbreitet und konsumiert wurden. Diese Welt existiert nicht mehr. Ein block-basierter Ansatz würde das Urheberrecht näher an die heutige Nutzungsrealität bringen und gleichzeitig neue Geschäftsmodelle ermöglichen.

Die Digitalisierung hat nicht nur unsere Mediennutzung verändert, sondern auch neue Möglichkeiten für ein flexibleres Rechtssystem geschaffen. Es ist an der Zeit, diese Möglichkeiten zu nutzen und das Urheberrecht für das 21. Jahrhundert neu zu denken – Block für Block.